Mein Text heißt Blabylon und beginnt mit folgendem Zitat…

De baba men nuh like de dreadlocks man
De dreadlocks man nuh like de baba man, no
De policemen nuh like de dreadlocks man
De dreadlocks man nuh like de policemen, no

So war inna Babylon, tribal war inna Babylon

Zitat Ende. Ich weiß nicht genau wie’s um eure jamaikanisch-kreolischen Sprachkenntnisse steht, daher hier noch die deutsche Übersetzung:

Die Frisöre mögen den Mann mit den Dreadlocks nicht
Der Mann mit den Dreadlocks mag den Frisör nicht, nein
Die Polizisten mögen den Mann mit den Dreadlocks nicht
Der Mann mit den Dreadlocks mag die Polizisten nicht, nein

Also herrscht Krieg in Babylon, Stammeskrieg in Babylon

Was Max Romeo in seinem Reggae-Klassiker von 1976 recht simpel skizziert, hat heute wieder an Relevanz gewonnen. Mit einfachen Bildern separieren sich Rechte von Linken, Linke von Rechten, Rechte von Rechten, die Erste von der Dritten Welt. 26 Jahre nach Ende des kalten Krieges werden wieder Mauern gebaut. Erst in Köpfen, dann an Grenzen. Überträgt man Max Romeos Song in die heutige Zeit, könnte er vielleicht so klingen:

De Trumpa men nuh like the Mexican
De Mexican nuh like the Trumpa man, no

So war inna Babylon, tribal war inna Babylon

Doch was meint Max Romeo eigentlich mit Babylon? Die prunkvolle altertümliche Stadt, die in biblischen Erzählungen als Zentrum des Bösen gilt? Die Bezugnahme auf das biblische Bild Babylons lässt sich jedenfalls nicht leugnen. Im Rastafari-Glauben steht Babylon im weiteren Sinne für jedes System, das Menschen unterdrückt oder diskriminiert. Im engeren historischen Sinn, bezeichnen die Rastafaris die westliche Gesellschaft als Babylon. Der europäische Kolonialismus und der weltweite Kapitalismus sind die Offenbarung, Polizei und Soldaten die Vollstecker Babylons.

Ist dieses Weltbild erschreckend einfach oder einfach erschreckend? Sind wir Babylon? Wir Deutschen, wir Weißen, wir Waffenproduzenten? Oder sind es die, die die Waffen anwenden? An Wänden kleben hierzulande Werbebanner. Woanders Propaganda. Der Rasta klagt über Unterdrückung und Exil, ausgelöst durch Verschleppung seiner Ahnen aus der Heimat. Sklaverei, die Großgrundbesitzer und Kolonialherren reich machte. Ein historisches Gefälle entstand, an dem nur der Waffenschmied, nicht der Gefallene Gefallen fand.

In welche Welt bist du geboren? In die reiche weiße oder in die… Scheiße! Du machst Urlaub in den alten Kolonien des Westens, um deinem Alltag zu entfliehen, Sorgen zu vergessen. Und hmmm, das Essen!

In deinem Land herrscht Frieden… denkst du!? Und gibt es Kriege und Konflikte macht man schnell die Grenzen zu. Denn die Babylonier haben Angst vor Sprachengewirr, Angst vor Schwede, Syrer, Türke, Tür an Tür.

Marine Le Pen nuh like the African
De African nuh like Marine le Penn, no

Viele fürchten sich vor Überfremdung. Davor, dass sie bald ihren eigenen Nachbarn nicht verstehen, aufgrund seiner Kultur, Religion oder Sprache. Die meisten vergessen dabei aber, dass wir selbst den Nachbarn nicht verstehen, dessen Sprache wir sprechen. Medien und Politik skandalisieren und polarisieren und die einzige Sprache, die wir noch zu sprechen scheinen, ist Zeichensprache, weil wir ständig mit dem Finger auf andere zeigen. Damit haben wir das Kommunikationsniveau eines Kleinkindes oder einer Katze erreicht. – Beides ziemlich süß… aber nicht erstzunehmen!

Die babylonische Sprachverwirrung ist, laut Bibel, Gottes Strafe für des Menschen Überheblichkeit. Mit dem Turmbau zu Babel, wollten die Menschen Gott gleichkommen, was nach israelitischer Vorstellung als frevelhaft galt. Drum gab Gott einem jeden Bauarbeiter seine eigene Sprache, was schlussendlich zum Baustopp führte. – Klingt ein bisschen nach Berliner Flughafen! – Doch Spaß beiseite.

In der biblischen Erzählung heißt es weiter, dass die ganze Welt zuvor eine gemeinsame Sprache gesprochen hat. Doch dann wurden die Menschen dazu verdammt, verschiedene Sprachen zu sprechen und über die ganze Erde verstreut. Immerhin hat die Menschheit mittlerweile Mittel gegen solch göttliche Strafen gefunden: Die Globalisierung und Englisch.

Heute ist egal, ob dein Nachbar einen Meter oder tausend Kilometer von dir entfernt wohnt oder welche Sprache er spricht. Wir sind alle Nachbarn! Wenn wir unseren Nachbarn nicht verstehen, weil wir ihn oder seine Meinung gering schätzen, liegt das an unserer Überheblichkeit. Und vielleicht führt Überheblichkeit nicht nur in der Bibel, sondern auch im echten Leben zum Zerfall. Wenn jeder nur seine eigene Sprache spricht, dann ist das überheblich. Dann leben wir zwar nicht Babylon aber ganz sicher in Blabylon.

Und so lange Fußballkommentatoren wie Gerd Gottlob nach dem ersten Länderspieltor Shkodran Mustafis und dem obligatorischen Torjubel nichts Besseres zu tun haben als „der Sohn albanischer Eltern“ hinzuzufügen, leben wir in Blabylon. An dieser Stelle würde ich gerne sagen: „Fick dich, Gerd Gottlob!“ Aber damit hätte ich genau den Ton getroffen, den ich zuvor kritisiert habe. Also lieber Gerd: Es ist vollkommen wumpe, ob der in Bad Hersfeld geborene Kicker albanische Eltern hat, solange er für das Team deines Herzens ein Tor erzielt. Ich kann verstehen, dass Hessen für jemanden aus Reinbeck im tiefsten Ausland liegt aber das tut nichts zur Sache.

Neben Gerd Gottlob, liegen meiner Meinung nach auch Gott beziehungsweise die Bibel ziemlich daneben. Wir wurden nicht mit verschiedenen Sprachen bestraft! Auch wenn das für so manchen Hardliner funktionieren mag, der gegen Pluralität mobil macht. Unsere Fixierung auf Unterschiede, lässt uns blind werden für Gemeinsamkeiten. Unser Horizont ist begrenzt, auf Herkunft, Hautfarbe, Heimatland. Doch unsere Angst vor Sprachverwirrung, Fremdheit und Co ist total unbegründet. Bei all den puristischen Ansprüchen auf Reinheit und Korrektheit, vergessen wir nur zu oft, worauf es bei Sprache ankommt: das Verstehen. Und bei all der Schwarz-Weiß-Malerei, vergessen wir die Sprache zu sprechen, die wir alle beherrschen. Denn wir Menschen sprechen eine gemeinsame Sprache: Die Sprache unseres Herzens.

© 2017 Phriedrich Chiller Friedrich Chiller